Höhentraining

Autor:

Billy Sperlich

Evidenzpyramide:

Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit in Höhe

Spätestens nach den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko City (2300 m über Normal-Null [üNN]) entstand großes Interesse über die Auswirkungen von Sauerstoffmangel (Hypoxie) auf die sportliche Leistungsfähigkeit. Es wurde deutlich, dass Höhentraining zur Leistungssteigerung bei Wettkämpfen im Flach- wie auch Hochland in einigen Sportarten positiv sein können. Mittlerweile ist das Training unter Sauerstoffmangelbedingung in der Vorbereitung von Ausdauerwettkämpfen etabliert.

Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) nimmt mit zunehmender Höhe kontinuierlich ab. Bis zu einem pO2 von 131mmHg ist der abnehmende arterielle pO2 (paO2) dafür verantwortlich was normalerweise bei einer Höhe von 1500-1600m vorherrscht (z.B. in Denver, Colorado). In größeren Höhen ist das verringerte Schlagvolumen für eine weitere Reduktion der VO2max verantwortlich [1]. Die VO2max fällt bis zu einer Höhe von ca. 1500m um etwa 8-11% pro 1000m Höhe. Bei größeren Höhen ist der Abfall noch stärker. Als grober Richtwert kann dienen: die VO2max nimmt ab einer Höhe von 1500m um ca. 1% pro 100m Höhe ab (natürlich mit großen inter-individuellen Unterschieden) [2]. Die Mechanismen der körperlichen Ermüdung im Zusammenhang mit Hypoxie sind noch nicht vollständig geklärt, wobei allerdings eine verlangsamte Phosphatsynthese in Hypoxie im Vergleich zu NN verantwortlich sein könnte [3].

Anaerobe Sprints, Wurf und Sprungdisziplinen sind in Höhe nicht negativ beeinflusst. Dies gilt für Belastung bis maximal einer Minute. Diese Art der Belastungen sind nur in geringem Maße vom sauerstofftransportierenden System abhängig. Kommt es jedoch zu wiederholten Ausführung von Kurzzeitbelastungen (Bspw. wiederholte 400m Läufe) sind auch diese Leistungen gegenüber dem Niveau von NN verringert. Die Leistung in Wurf- und Sprungdisziplinen ist in Höhe teilweise sogar verbessert. Das liegt an der „dünneren“ Luft in Höhe, die weniger Widerstand bietet. So wurden beispielsweise bei den Olympischen Spielen in Mexiko City 1968 Weltrekorde bei den Männern in den Disziplinen 100m Sprint, 200m, 400m, 800m, Weitsprung und Dreisprung und bei den Frauen über 100m, 200m, 400m, 800m, 4x100m Staffel und dem Weitsprung aufgestellt.

Training in Höhe und Höhentrainingskonzepte

In den letzten Jahrzehnten wurden mehrere Konzepte entwickelt, mit denen das Höhentraining möglichst effektiv gestaltet werden sollte, um vor allem die Leistung von Ausdauersportlern auf NN zu verbessern und/oder die Akklimatisierung vor Wettkämpfen in Höhenlagen zu optimieren [4]. Athleten nutzen dafür Konzepte, wie „Live High – Train High (HiHi)“ oder Strategien mit intermittierender Höhe, wie „Live High – Train Low (HiLo)“ oder „Live Low – Train High (LoHi)“ [4]. Diese Konzepte können entweder in natürlichen Umgebungen durchgeführt werden oder in Höhenkammern oder -zelten oder -häusern mit “künstlichen“ Höhen/“künstlicher“ Manipulation des pO2. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Strategien werden im Folgenden erläutert.

Live High – Train Low – Konzept

Bei diesem Konzept wird versucht, durch das Wohnen in mittleren Höhen (1800-2500m) und das Training in niedrigeren Höhen (<1300m) eine „optimale“ Kombination zu erreichen. Das Ziel ist es, durch das Training in niedrigeren Höhen eine höhere Trainingsintensität durchführen zu können, als in mittleren Höhen. Dennoch sollen durch den Aufenthalt in mittleren Höhen die Effekte von Höhentraining erfahren werden.

Das größte Problem in der Trainingssteuerung in Höhe ist die Kontrolle der Trainingsintensität. Der verringerte pO2 führt zu veränderten Bedingungen für das Training:

  1. die für die Trainingssteuerung genutzte „Biomarker“, wie bspw. Herzfrequenz oder Blutlaktat, reagieren verändert in Höhe,
  2. die „normale“, bekannte Trainingsintensität muss aufgrund der Hypoxie reduziert werden und
  3. langfristige Hypoxie kann zu Muskelmassenverlust, niedriger Schlafqualität und Appetitlosigkeit führen. Um diese „Nebeneffekte“ von Höhetraining zu umgehen, favorisieren viele Trainer und Athleten das Live High – Train Low – Konzept.

Trotz hoher Trainingsqualität können bei diesem Konzept die folgenden positiven Aspekte des Höhentrainings genutzt werden:

  1. erhöhte Epo-Konzentrationen [5, 6],
  2. eine erhöhte Bewegungs-/Arbeitsökonomie [7, 8],
  3. erhöhte Pufferkapazität und 4) erhöhte aerobe und anaerobe Leistungsfähigkeit [4, 6, 9].

Um dieses Konzept erfolgreich durchführen zu können, müssen einige Details beachtet werden. Es wird davon ausgegangen, dass die applizierte „Hypoxiedosis“ pro Tag so lange wie möglich sein soll (bspw. 22 h∙Tag-1, mit einer „Minimaldosis“ von 12 h∙Tag-1). Die Höhe sollte optimaler Weise in einem Bereich von 2200-2500m liegen und mind. für 3-4 Woche appliziert werden [4].

Die Durchführung dieses Konzeptes stellt Athleten und Trainer in der Praxis vor einen großen organisatorischen Aufwand. Die An- und Abreise zum Trainingsort (Ab- bzw. Aufstieg) ist mit viel Streß durch Reisen, unterschiedliche Wetterbedingungen in unterschiedlichen Höhen, hoher finanzieller Aufwand, etc. verbunden. Aktuell werden daher Geräte genutzt um künstliche Höhen herzustellen (normobare Hypoxie in Häusern, Zelten, Schlafkammernm etc.), um den positiven Effekte des „live high“ ohne extrem hohen organisatorischen Aufwand umsetzen zu können.

Intermittierende Höhenexposition

intermittierendes Höhentraining und intermittierendes Höhenintervalltraining

In diesem Konzept kommt es zu einer Exposition an Hypoxie zwischen wenigen Sekunden bis hin zu mehreren Stunden, was über Tage bis Wochen wiederholt wird. In den Pausen zwischen den Höhenexpositionen wird auf NN oder niedrigen Höhen zurückgekehrt [10]. Hier sind verschiedene Konzepte denkbar. Entweder es wird Training in Höhenlagen durchgeführt (intermittierendes Höhentraining) oder es wird innerhalb einer Trainingseinheit zwischen Hypoxie und Normoxie gewechselt (intermittierendes Höhenintervalltraining) [11]. Da schon recht kurze Höhenexpositionszeiten ausreichen, um eine Steigerung der Epo-Konzentration zu erreichen [12-14], gehen Wissenschaftler davon aus, dass diese Art des Höhentrainings ähnliche positive Effekte und Leistungsverbesserungen bewirkt, wie „normales“ Höhentraining.

Allerdings gibt es zwei Hauptkritikpunkte an diesem Konzept [4]:

1) Die Zeit, die unter Höhenbedingungen verbracht wird, ist meistens zu kurz, um hämatologische Anpassungen hervorzurufen um damit den O2-Transport zu verbessern.

2) Die Trainingsqualität, gemessen an der durchführbaren Intensität während des Trainings, ist deutlich niedriger als auf NN.

Der Vorteil dieses Konzepts ist, dass es zu weniger Nebeneffekten (keine Abnahme der Muskelmasse, bessere Schlafqualität, keine Appetitlosigkeit) kommt.

Es stellt sich natürlich die Frage, in welcher Höhe, für wie lange und in welcher Höhe die Exposition stattfinden muss, um positive leistungsförderliche Effekte zu erfahren, welche derzeit stark diskutiert wird und aktuell noch nicht eindeutig beantwortet werden können.

 

Einzelnachweise

  1. Calbet, J.A., et al., Plasma volume expansion does not increase maximal cardiac output or VO2 max in lowlanders acclimatized to altitude. Am J Physiol Heart Circ Physiol, 2004. 287(3): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15142851
  2. Levine, B.D., J. Stray-Gundersen, and R.D. Mehta, Effect of altitude on football performance. Scand J Med Sci Sports, 2008. 18 Suppl 1: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18665955
  3. Haseler, L.J., M.C. Hogan, and R.S. Richardson, Skeletal muscle phosphocreatine recovery in exercise-trained humans is dependent on O-2 availability. Journal of Applied Physiology, 1999. 86(6): <Go to ISI>://000080781400040
  4. Millet, G.P., et al., Combining hypoxic methods for peak performance. Sports Med, 2010. 40(1): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20020784
  5. Dehnert, C., et al., Erythropoiesis and performance after two weeks of living high and training low in well trained triathletes. Int J Sports Med, 2002. 23(8): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12439771
  6. Levine, B.D. and J. Stray-Gundersen, „Living high-training low“: effect of moderate-altitude acclimatization with low-altitude training on performance. J Appl Physiol (1985), 1997. 83(1): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9216951
  7. Saunders, P.U., et al., Improved running economy in elite runners after 20 days of simulated moderate-altitude exposure. J Appl Physiol (1985), 2004. 96(3): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/14607850
  8. Gore, C.J., S.A. Clark, and P.U. Saunders, Nonhematological mechanisms of improved sea-level performance after hypoxic exposure. Med Sci Sports Exerc, 2007. 39(9): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17805094
  9. Hoppeler, H., S. Klossner, and M. Vogt, Training in hypoxia and its effects on skeletal muscle tissue. Scand J Med Sci Sports, 2008. 18 Suppl 1: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18665951
  10. Powell, F.L. and N. Garcia, Physiological effects of intermittent hypoxia. High Alt Med Biol, 2000. 1(2): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11256564
  11. Roels, B., et al., Effects of hypoxic interval training on cycling performance. Med Sci Sports Exerc, 2005. 37(1): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15632680
  12. Rodriguez, F.A., et al., Intermittent hypobaric hypoxia stimulates erythropoiesis and improves aerobic capacity. Med Sci Sports Exerc, 1999. 31(2): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10063816
  13. Eckardt, K.U., et al., Rate of erythropoietin formation in humans in response to acute hypobaric hypoxia. J Appl Physiol (1985), 1989. 66(4): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2732171
  14. Knaupp, W., et al., Erythropoietin response to acute normobaric hypoxia in humans. J Appl Physiol (1985), 1992. 73(3): http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1400046